Maria aus Magdala

Mein Name ist Maria, und ich komme aus dem Ort Magdala. Die
meisten nennen mich darum Maria Magdalena. Weil doch so
viele Frauen Maria heißen, auch meine liebe Freundin, die
Mutter des Jakobus des Kleinen und des Joses, sie heißt auch
Maria. Mit ihr und Johanna, die Frau des Chusa, war ich heute
morgen zum Grab von Jesus gegangen. Mit wohlriechenden Ölen
und Salben, um seinem Leichnam noch die letzte Ehre zu
erweisen. Gestern ging es ja nicht, es war ja Sabbat.
Ja, wisst Ihr denn nicht, habt Ihr noch nicht gehört von dem,
was vorgestern am Rüsttag passiert ist? Jesus, Jesus aus Nazareth
wurde gekreuzigt. Er, der mich von den sieben bösen Geister, die
mich geplagt hatten, befreit hat, so dass ich endlich wieder zu
Sinnen kam. Da hatte ich mich ihm und seinem Jüngerschar
angeschlossen. Wohin hätte ich denn sonst gehen sollen? Unter
den Jüngern waren auch einige Frauen, Johanna und Susanna,
die mich in ihre Mitte aufnahmen und sich um mich sorgten.
Wir Frauen sahen vorgestern von ferne zu, wie unser Meister,
Jesus, auf Golgatha gekreuzigt wurde, auf Anordnung von
Pilatus. Neben ihm wurden zwei Verbrecher gekreuzigt, er aber
war unschuldig. Zur Mittagszeit zog eine Finsternis auf, als
wollte die Natur selbst Trauer tragen. Diese Dunkelheit dauerte
drei Stunden. Um drei Uhr nachmittags schrie Jesus auf und
verstarb.
Wir standen da, sahen all das fassungslos mit an. Es war das
Ende, das Ende auch all meiner Hoffnung. Was sollte ich denn
nun bloß tun, wohin sollte ich gehen? Er hatte Worte des ewigen
Lebens. Und wir haben geglaubt und erkannt, dass er der Heilige
Gottes ist. Und nun dieses schreckliche Ende. Das kann nicht
sein!
Die anderen Frauen gingen weg. Nur meine Freundin Maria und
ich bleiben. So konnten wir sehen, wie sein Leichnam
abgenommen und in Tuch gewickelt wurde. Von einem sehr
angesehenen Ratsherrn. Ja, nur so jemand konnte von Pilatus
die Erlaubnis dazu kriegen, dies zu tun. Ich glaube, ich kenne
den Ratsherrn sogar, Josef, heißt er und kommt aus Arimathäa.
Wir zwei Marias folgten ihm und sahen, wie er Jesus Leichnam
in einen Grab legte. Leider wälzte er einen großen Stein vor den
Eingang des Grabes.
Dies machte uns heute morgen Kopfzerbrechen, als wir mit den
Ölen und Salben zum Grab gingen. Wie sollten wir drei
schwache Frauen, Maria, Johanna und ich, diesen schweren
Stein vom Eingang wegkriegen, um seinen Körper salben zu
können?

Völlig unnötig waren diese Sorgen, denn der Stein war weggerollt
und der Eingang offen. Doch darüber konnten wir uns nicht
freuen. „Jetzt haben sie auch noch sein Leichnam
weggenommen“, dachte ich und war sehr traurig, dass ich nicht
wenigstens diesen letzten Dienst an Jesus verrichten konnte.
Wir gingen zu Simon Petrus und Johannes und sagten ihnen:
„Das Grab ist leer! Wo haben sie ihn bloß weggelegt?“ Petrus und
Johannes gingen mit mir zurück zum Grab, schauten hinein
und gingen ratlos und verwundert wieder heim.
Ich aber blieb draußen im Garten vor dem Grab stehen. Mir war
so traurig und leer zumute, ich weinte und konnte mich nicht
beruhigen. Da sah ich, ganz verschwommen noch von den
Tränen, in das Grab hinein. Zwei junge Männer sah ich in
strahlend weißen Gewänder im Grab sitzen, den einen da, wo
der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams wohl
gelegen hatten. Sie sprachen mich an und fragten: „Warum
weinst du?“ Da habe ich ihnen gesagt, dass ich nicht weiß,
wohin sie Jesus weggeschafft haben. Wie ich mit den beiden
Männern sprach, spürte ich, dass noch jemand hinter mir stand
und drehte mich um. „Das ist wohl der Gärtner“, dachte ich
und frage ihn darum, ob er den Leichnam weggetragen hat und
er solle mir doch sagen, wo er ihn hingebracht hätte.
Dieser Mann aber rief mich beim Namen. „Maria!“, sagte er.
Diese Stimme, so wohlvertraut, nur einer spricht mich so an:
Jesus. „Meister,“ rief ich aus und streckte nach seiner Hand aus.
Er aber sagte: „Berühre mich nicht! Denn ich bin noch nicht
zum Vater aufgefahren.“ Er gab mir aber den Auftrag, den
Jünger zu verkünden, dass er von den Toten auferstanden ist
und zum Vater auffahren wird.
Diese Begegnung hat mich so froh gemacht und wieder Leben in
mich eingehaucht. Er hat die Worte des ewigen Lebens, und ich
habe nicht umsonst geglaubt und nicht falsch erkannt. Jesus ist
der Heilige Gottes, der Christus. Jetzt weiß ich, wohin ich gehen
soll. Ich will alle Welt sagen, jeder soll es wissen: Jesus, er lebt.
Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.